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Sind Schüssler-Salze Homöopathie?


Tabletten auf eine Liste von Schüssler-Salzen
(Bildquelle: Pixabay)
Schüssler-Salze erfreuen sich grosser Beliebtheit: Sie sind relativ einfach in der Anwendung, haben nicht die Nebenwirkungen, die konventionelle Medikamente verursachen können, und teuer sind sie auch nicht. Viele schwören auf sie, etwa auf die "heiße Sieben" bei Verspannungen und Krämpfen oder auf die Nr. 11 bei brüchigen Nägeln.
 
Wenn man so ein Schüssler-Salz mal in die Hand nimmt, liest man auf der Packung von Nr. 11 "Silicea D6". D6, das klingt nach Homöopathie. Hm. Ist die Anwendung von Schüssler-Salzen also Homöopathie?
Ganz klar: Nein. Aber irgendwie doch.
Wie kommt das?

Warum es keine Homöopathie ist

Die Schüssler-Salze sind benannt nach Wilhelm Heinrich Schüssler, einem Homöopathen des 19. Jahrhunderts. Schüssler empfand die Homöopathie als eine recht schwierige Heilkunst (womit er sicher nicht unrecht hatte) und wollte sie daher vereinfachen. Er entwickelte eine "abgekürzte Therapie", in der nur noch zwölf (ursprünglich elf) Heilmittel, sog. "Gewebemittel" oder "biochemische Mittel" verwendet wurden, allesamt Mineralsalze. Er nannte diese neue Therapieform "Biochemie" - ein Begriff, der aus heutiger Sicht verwirrend ist, da er in den Naturwissenschaften eine andere Bedeutung hat.
 
Schüssler ging davon aus, dass Krankheiten auf einem Mineralstoffmangel beruhten. Mit seinen Salzen versuchte er, diesen Mangel auszugleichen, indem er das seines Erachtens fehlende Mineralsalz in potenzierter Form verabreichte. Damit wandte er sich vom homöopathischen Ähnlichkeitsprinzip ab, und schon allein damit ist Schüsslers Biochemie keine Homöopathie mehr. Auch die Erforschung eines Arzneimittels mittels einer Prüfung am Gesunden, eine der Säulen der Homöopathie, verwarf er. Nur das Herstellungsverfahren mittels Verreibung mit Milchzucker und Potenzierung übernahm er - das ist die Gemeinsamkeit mit homöopathischen Arzneimitteln. Aber die Anwendung ist eben eine völlig andere, eher allopathisch gedachte, insofern hat Schüsslers Biochemie nichts mit Homöopathie zu tun.
 
Also: keine Homöopathie.
 
Warum es doch homöopathisch wirkt
Schüssler-Salze werden hergestellt wie Homöopathika. Das bedeutet also: sie wirken auch wie Homöopathika - egal, ob das Wilhelm Schüssler beabsichtigt hat oder nicht. Das heisst konkret: wenn eines dieser Schüssler-Salze dem homöopathischen Ähnlichkeitsprinzip entsprechend zu den Beschwerden eines Kranken passt, dann kann es nach homöopathischer Auffassung eine heilsame Wirkung haben. Aber: Wenn solch ein Mittel, wie auch in der Allopathie üblich, häufig eingenommen wird (z.B. täglich über Monate hinweg), dann kann der Patient gemäß der homöopathischen Wirkprinzipien allmählich neue Symptome entwickeln (sog. Prüf-Symptome), die das Mittel durch die häufige Einnahme bei ihm verursacht! Das kann in einzelnen Fällen recht unangenehm werden.
 
Fallbeispiel: Schmerzen durch Schüssler-Salz
Eine Kollegin berichtete mir: Eine Patientin kam zu ihr mit einer ganzen Reihe ernsthafter Beschwerden mit Schmerzen. Die Analyse der Symptome wies ganz klar auf das homöopathische Arzneimittel Silicea hin. Meine Kollegin verabreichte also eine Gabe Silicea in einer Hochpotenz. Nach vier Wochen berichtete die Patientin, dass alles schlimmer geworden sei! Das Merkwürdige: Die Symptome waren nun noch deutlicher als vorher Silicea-Symptome. Schließlich kam meine Kollegin auf die Idee, zu fragen, ob die Patientin außerhalb dieser Behandlung homöopathische Arzneimittel einnehme. Die Antwort: nichts Homöopathisches, aber sie nehme seit etwa einem Jahr täglich das Schüssler-Salz Nr. 11 ein. Dieses Salz ist aber nun nichts anderes als Silicea.
 
Die Patientin hat also durch die andauernde Einnahme der Nr. 11 ungewollt eine homöopathische Arzneimittelprüfung von Silicea durchgemacht, und meine wohlmeindende Kollegin hat nichtsahnend mit einer Silicea- Hochpotenz noch eins draufgesetzt. Als sie das erkannt hatte, liess meine Kollegin das Schüssler-Salz absetzen. Dadurch konnten die Symptome innerhalb der nächsten Wochen weitgehend abklingen.
 
Man muss sich das vorstellen: Diese Patientin nahm ein Jahr lang ein homöopathisch zubereitetes Arzneimittel ein, ohne sich deswegen jemals mit einem Arzt oder Heilpraktiker zu besprechen! Sie machte sich niemals Gedanken darüber, ob ein wirksames Mittel nicht auch unerwünschte Wirkungen erzeugen könnte.
 
Das ist also das eine, was bei der Einnahme von Schüssler-Salzen zu beachten ist: auch wenn sie nicht nach homöopathischen Prinzipien ausgewählt werden, so wirken sie doch auch homöopathisch, und, unbedacht eingesetzt, nicht immer in der gewünschten Richtung.
 
Zweispurig fahren ist nicht immer gut
Nun kommen wir zum zweiten Problem, das mir in meiner Praxis häufiger begegnet: Schüssler-Salze können aufgrund Ihrer Homöopathie-ähnlichen Wirkung eine laufende homöopathische Behandlung stören. Beide - das homöopathische Arzneimittel und das Schüssler-Salz - können sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinträchtigen. Nicht in allen Fällen, aber das Risiko ist gegeben. Darum bitte ich meine Patienten, für die Dauer der homöopathischen Behandlung auf die Einnahme von Schüssler-Salzen (und natürlich auch anderer Homöopathika) zu verzichten. Alternativen lassen sich immer finden.  
 
Sollten Sie aber doch einmal trotz laufender homöopathischer Behandlung aus Gewohnheit bei einer aufziehenden Erkältung die Nr. 3 eingenommen haben: Sagen Sie es bitte Ihrem Homöopathen, damit er weiss, dass eventuell eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Er wird damit umgehen können.

Heilpraktiker Markus Dankesreiter

Autor: Markus Dankesreiter, Heilpraktiker in Regensburg.
Spezialisiert auf Klassische Homöopathie, Genuine Homöopathie, Predictive Homoeopathy.
SHZ-akkreditierte Ausbildung in Homöopathie.
Praxiserfahrung seit 2012.
Abgeschlossenes Studium der Physik (Diplom).